Hinter die Kulissen geschaut: Wir stellen unser Archiv vor

Kurz vor dem Umzug in das neue Archiv der Stadt haben wir den Archivar der Stadt Wolfratshausen, Simon Kalleder nach seinen Höhepunkten im Archiv der Stadt Wolfratshausen befragt:

Wie viele Archivalien haben Sie im Bestand?

Lange Regale warten auf die Archivalien nach dem Umzug

Simon Kalleder: Mhm, so einfach lässt sich das gar nicht sagen. Da unsere Archivalien bei weitem noch nicht komplett digital erfasst sind, und unsere analoge Erfassung noch recht unterschiedlich ist kann ich da noch gar keine definitive Antwort drauf geben. Es sind aber über 300 sogenannte Laufmeter. Ein Laufmeter sind fünf Archivkartons, in einem Archivkarton können schon bis zu 20 einzelne Archivalien liegen, es kommt also einiges bei uns zusammen.

In welcher Form liegen die vor, sind es mehr Urkunden und Schriftstücke oder Relikte?

Simon Kalleder: Den Großteil unseres Archivguts machen Akten aus. Wir haben aber auch zahlreiche Urkunden und Bände. Doch auch damit sind unsere Bestände noch bei weitem nicht erschöpft. Im Stadtarchiv findet sich eine umfangreiche Fotosammlung, wir haben eine kleine Bibliothek, Karteien, Karten und Pläne, und wir sammeln nicht zuletzt auch die Artikel unserer lokalen Presse, die sich mit Wolfratshausen befassen. Es finden sich sogar Medaillen, Schallplatten, und Plakate im Wolfratshauser Stadtarchiv.

Welches ist das wertvollste Stück – auch im idealistischen Sinne?

Simon Kalleder: Da gibt es sehr verschiedene Stücke, die alle auf ihre Art einen unschätzbaren Wert besitzen. Das Marktarchiv enthält unsere ältesten Bestände, bis weit ins Mittelalter hinein. Wenn man dazu noch weiß, auf welch abenteuerliche Weise diese im 30jährigen Krieg vor den Schweden gerettet wurden geht einem als Archivar schon ein bisserl das Herz auf. Komplett anders, aber ebenso wertvoll sind unsre Dokumente zu Föhrenwald. Wenn man z.B. durch Einträge in Sterbebüchern oder durch Fotos geht bekommt man einen kurzen, aber sehr unmittelbaren Eindruck dieser Schicksale, der einem durchaus Nahe gehen kann. Und ich möchte noch unbedingt unser Flößerarchiv erwähnen. Auch das geht weit zurück bis in die Barockzeit und macht unser Archiv so besonders!

Gibt es ein Teil, auf das Sie besonders stolz sind oder eine besondere Beziehung haben?

Simon Kalleder: Ich freue mich sehr, wie abwechslungsreich unsere Archivbestände sind, da gibt es noch sehr viel zu entdecken. Es gibt aber wirklich ein Stück, zu dem ich eine besondere Beziehung habe. An meinem ersten Arbeitstag in Wolfratshausen bin ich durchs Archivmagazin gezogen um mir einen Überblick über die Aufstellung der Bestände zu schaffen. Etwas abseits standen drei gerahmte „Bilder“. Ich zog das kleinste heraus und sah dass es ein gerahmter Brief war. Als ich dann zu lesen begann fiel mir ganz schön die Kinnlade herunter, weil es sich bei dem Brief um ein Dankschreiben König Ludwigs II., des legendären „Kini“ für die Wolfratshauser Kondolenz zum Tod seines Vaters, König Max II. handelte.

Neuer Archivar und neue Räume in der Bahnhofstrasse: Simon Kalleder vor dem neuen Archiv

Wie weit geht denn das Stadtarchiv zurück?

Simon Kalleder: Unsere älteste Urkunde stammt aus dem Jahr 1323, so ab dem 17. Jahrhundert, also der Zeit des dreißigjährigen Krieges, finden sich dann auch viele andere Quellengattungen wie etwa Ratsprotokolle, Kammerrechnungen, etc.

Werden wir eines Tages eine Ausstellung im Archiv sehen?

Im Lesesaal des neuen Archivs in der Bahnhofstrasse warten schon die Stühle auf die Besucher

Simon Kalleder: Ja, das ist durchaus geplant. Bisher war das ja schon rein räumlich kaum möglich, jetzt stehen dem Archiv aber einige Vitrinen, und unser schöner Lesesaal zur Verfügung, so dass wir unsere Schätze auch in Sonderausstellungen präsentieren können. Ich werde versuchen, hier auch mit dem Heimatmuseum gut zusammenzuarbeiten, da wir uns in vielen Themen ergänzen.

Kann der Bürger mit Fragen an Sie herantreten, die sich möglicherweise aus dem Bestand des Archivs beantworten lassen?

Simon Kalleder: Selbstverständlich, das ist sogar ausdrücklich gewünscht! Meiner Meinung nach hat ein Archiv, und insbesondere auch ein Stadtarchiv, ganz zentral die Aufgabe, ein Anlaufpunkt für geschichtsinteressierte Bürgerinnen und Bürger zu sein.

Welches sind die häufigsten Fragen?

Simon Kalleder: Momentan bekomme ich recht viele Fragen im Bereich der Erbenermittlung. Aber auch das DP-Lager Föhrenwald oder die Wolfratshauser Burg sind Themen von Interesse. Ich, als Frühneuzeithistoriker würde mir noch mehr Interesse zu dieser Zeitspanne wünschen, auch weil wir da mit dem Alten Marktarchiv sehr gut ausgestattet sind. Aber das ist ein allgemeines Phänomen, das diese Zeit, die sehr wichtig für Bayerns Geschichte und Kultur (man denke nur an die Barockkirchen, oder das Weißbier, das damals aufkam) war, leider etwas in Vergessenheit geraten ist.

Was kostet das?

Simon Kalleder: Einfache mündliche Fragen sind frei, aufwändigere Arbeiten werden nach unserer Gebührensatzung berechnet. Allerdings sind wissenschaftliche, heimatkundliche und unterrichtliche Zwecke von den Gebühren befreit.

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