„Die Seeschlacht auf der Isar“ bei dem heute im Sylvensteinstausee versunkenen Ort Fall

Ludwig Ganghofers mehrfach verfilmter Roman „Der Jäger von Fall“, dem Ort, der in den Fluten des Sylvensteinstausees versank und dessen Grundmauern aktuell wieder besichtigt werden können (siehe extra Artikel) wurde inspiriert von der Kurzgeschichte „Die Seeschlacht auf der Isar“, die sein Freund Ludwig Thoma verfasst hat.

Der berühmte Mundartdichter ist bekannt unter anderem durch seine „Lausbubengeschichten“, die in den 60er Jahren an vielen Drehorten rund um Wolfratshausen verfilmt worden sind. Gut im Gedächtnis darin ist natürlich auch die Szene, in der Prinzregent Luitpold auf einem Floß (im Film) die Isar (in Wirklichkeit den Loisach-Isar-Kanal) entlangfährt.

Hier ein Gemälde mit der „Seeschlacht“, es hängt im Gasthof Post in Vorderriß mit vielen weiteren flößerischen Bildern und Gegenständen.

Hier ein Gemälde mit der „Seeschlacht“, es hängt im Gasthof Post in Vorderriß mit vielen weiteren flößerischen Bildern und Gegenständen.

Wie kam jetzt Ludwig Thoma dazu, seine Erzählung am Oberlauf der Isar anzusetzen? In Vorderriss hat der Schriftsteller in Haus Nr. 11 seine Lausbubenjahre von 1867 bis 1873 verbracht. Denn sein Vater, Max Thoma, war hier königlich bayerischer Oberförster. Zu dessen Revier gehörte auch Fall und so konnte er seinem Sohn eine wahre Begebenheit über die Wilderei in dieser Gegend erzählen. Und was sich damals in der Nacht vom 25. auf den 26. Juli 1868 tatsächlich zugetragen?

Nachfolgend Zitate aus dem Bericht von Oberförster Max Thoma an seine vorgesetzte Behörde: „… wo derselbe auf Befragen zugestand, das er und G. (Anton Grunwald von Lenggries, vulgo Hoißentoni) aufs Wildern gegangen und im Revier Krünn und Walchensee zwei Stück Wild geschossen hatten. Diese Wildstücke hatten sie dann auf einem Floß, zu welchem sie die Bäume gestohlen haben, verladen und seien abgefahren. Plötzlich seien dann sechs bis sieben Schüsse auf sie gefallen und Anton G. getroffen worden, er selbst sei unverletzt geblieben und mit dem Floß fortgefahren, bis er bei dem sogenannten großen Ofen (in der Isar) auf einen Felsen aufgefahren und der Floß in Trümmer gegangen sei. Beide seien dann samt der Ladung – zwei Stück Wild, Gewehre etc. etc. – in die Isar gefallen …“ Der bei der „Seeschlacht“ angeschossene Wilderer Grunwald („Hoißenblasi“ – bei Ganghofer „Huisenblasi“) konnte dann doch noch jahrelang sein Unwesen treiben. Über den Tod dieses Flößers und „Wilderers ersten Ranges“ berichtete auch die Zeitschrift „Deutscher Jäger“ im Jahr 1881.

Und Ludwig Thoma hat sie später dann in eine spannende Kurzgeschichte „Die Halsenbuben – oder die Seeschlacht auf der Isar“ abgewandelt. Das liest sich dann so (Ausschnitte): „Beim Halsen heißt ein schöner Hof in Lenggries. In den sechziger Jahren hauste darauf der Quirinus Gerold mit seinem Weib und zwei Söhnen. Er war ein wohlhabender Mann, dem bares Geld im Kasten lag und der wohl an vierzig Stück Jungvieh zu den Almen trieb. Seine Söhne, der Halsen-Toni und der Blasi, waren im ganzen Isartale bekannt wegen ihrer Kraft und Verwegenheit. Sie waren von gutem Schlage, hochgewachsene und breitbrüstige Burschen. Und flink und lustig dazu. Es hätte ihnen jeder eine vergnügliche Zukunft voraussagen mögen; sie ist ihnen aber nicht geworden. Denn alle zwei sind in jungen Jahren gefallen von Jägershand, und sie starben im grünen Walde. Zuerst der Blasi.

Das war im Jahre 1869 gegen den Herbst zu. Da ist den Jägern in der Vorderriß eine Botschaft zugekommen, dass zur Nachtzeit ein Floß mit Wilderern und ihrer Beute die Isar herunterkommen werde.

Wie es auf den Abend zuging, sind die Jagdgehilfen von ihren Reviergängen heimgekommen und haben sich recht auffällig in der Wirtsstube des Forsthauses bei Essen und Trinken gütlich getan. Denn es waren, wie immer, Flößer und Holzknechte als Gäste da, und vielleicht die meisten von ihnen waren Spießgesellen der Wilddiebe.

Darum haben sich die Jäger nichts merken lassen. Nach ein paar Stunden sind sie einzeln aufgebrochen und haben sich freundlich gute Nacht gewunschen, als wolle sich jeder friedlich aufs Ohr legen.

Auch die Flößer und Holzknechte haben sich entfernt; sie gingen in die Sägemühle, wo sie auf dem Heu übernachten wollten. Die Lichter in der Wirtsstube sind ausgelöscht worden, und das Forsthaus lag still und verschlafen in der finsteren Nacht. Hinter einem Fenster des oberen Stockes brannte noch ein kleines Licht.“

In der Nacht jedoch legte sich jedoch der Jagdgehilfe Glasl auf die Lauer, um die Wilderer auf ihrem Floß zu stellen.

„Es war nichts zu hören, und lange war auch nichts zu sehen. Da kam der Mond über die Berge herüber. Sein flimmerndes Licht fiel auf den Fluss, und immer länger dehnte sich der glitzernde Streifen aus, und er ging in die Breite, bis zuletzt das ganze Tal angefüllt war von seinem Glänze. Und jetzt konnte man einen Schatten sehen, der in der Mitte des Flusses mit Schnelligkeit dahinglitt. Das waren sie. Glasl faßte sein Gewehr fester und zog den Hahn über. Das Floß kam näher. (…)“

Es entbrennt ein Kampf zwischen Jägern und den Wilderern, die ihre Beute auf dem Floß isarabwärts bringen wollen – spannend in Worte gefasst von Ludwig Thoma.

Wilderer nutzten damals vorzugsweise bei Nacht und Nebel ein Floß für ihre „dunklen“ Geschäfte – und legten sich dabei gleich in mehrfacher Hinsicht mit der „Obrigkeit“ an. Nicht zuletzt, weil sie sich überhaupt nicht um das Floßfahr-Verbot bei Dunkelheit und Nebel scherten; boten diese ihnen doch einen besonders guten Sichtschutz, um das erbeutete Wild auf ein Floß zu schaffen und es Isarabwärts zu fahren.

Davon erfahren wir auch in Ganghofers 1883 entstandenen Wilderer-Roman „Der Jäger von Fall“. Dort kam den Wildschützen die Dunkelheit gerade gelegen, um die Beute ihrer Treibjagden vom kleinen Gebirgsdorf Fall hinunter nach Tölz zu transportieren. „… und alle Revier haben s‘ unsicher gmacht auf zehn Stund in der Gegend, und schockweis haben die Lumpen ’s Wild auf die Flöß abigführt nach Tölz und München.“ Einmal hatten sie Pech, denn ein „an der gfahrlichsten Stell von der Isar und handbreit unter’m Wasser gespannter dicker Strick“ sollte ihnen zum Verhängnis werden …

 

Sabrina Schwenger
Redakteurin, Freie Journalistin

Wolfratshausen

 

 

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