Immatrielles Kulturerbe – Die Passagierfloßfahrten im Oberland

Wolfratshausen ist unter anderem bekannt als internationale Flößerstadt. Ihre historischen Wurzeln hat die Flößerei insbesondere als Transportmittel der Holzwirtschaft und weiterer Güter, wie zum Beispiel Gips, Kalk, Kreide aber auch importierte Seide und Wolle. Durch eine Wasserzollstelle im 13. Jahrhundert, die in Wolfratshausen errichtet wurde, genoss die heutige Stadt, die zwischen Loisach und Isar liegt, zudem eine besondere Stellung. Heute kennen wir die bunten Floßfahrten, die als gemeinschaftliches Vergnügen angeboten werden und ihre Fahrt nach München in Wolfratshausen starten.

Diese „Passagierfloßfahrten auf der Isar und Loisach vom Oberland nach München“ wurden nun als Immatrielles Kulturerbe im Bayerischen Landesverzeichnis eingetragen, so entschied es am 31. März 2020 der Bayerische Ministerrat. Hierzu ist ein Bewerbungsverfahren notwendig, das anschließend von einem unabhängigen Expertengremium gesichtet und beurteilt wird.

Helga Lauterbach ist Vorstandsmitglied des „Flößer-Kulturverein München-Thalkirchen e.V.“, der kooperierend mit weiteren Floßmeistern auf der Isar und Loisach die Bewerbungsunterlagen final eingereicht hat. Frau Lauterbach forscht seit 30 Jahren leidenschaftlich zu ihrem Fachgebiet der Flößerei, zu dem sie auch Werke publiziert. Mit ihr, als Expertin, haben wir über die Bewerbung und die Bedeutung des Titels gesprochen:

Frau Lauterbach, danke, dass Sie sich für die Fragen Zeit genommen haben. Der Verein „Flößer-Kulturverein München-Thalkirchen e.V.“ hat es geschafft. Die Passagierfloßfahrten auf der Isar und Loisach sind nun offiziell Immatrielles Kulturerbe. Was bedeutet das genau? Welche Folgen hat die Eintragung für die Flößerei?

Die Aufnahme der Passagierfloßfahrten auf Isar und Loisach rückt die Besonderheit der Personenbeförderung in den Vordergrund, die auf diesen Flüssen bis ins Mittelalter zurückreicht. Sie stehen im Kontext historischer Formen der Mobilität.

Die Eintragung als Immaterielles Kulturerbe verschafft der Flößerei mehr Wertschätzung für ihre jahrhundertealte Handwerkstradition. Es bedeutet aber auch, verantwortlich mit der Anerkennung umzugehen. Es liegt nun besonders in Händen der Floßmeister, ihr Wissen um das Kulturgut Passagierfloßfahrten einzusetzen und es an die zahlreichen Gäste im Sommer weiterzugeben.

Für den Flößer-Kulturverein München-Thalkirchen e.V. aber bedeutet der Eintrag in das Bayerische Landesverzeichnis und die Anerkennung, eine Erleichterung seiner Arbeit auf dem Weg zu einem Flößermuseum oder eines Flößerinformationszentrums in München. Seit Gründung des Vereins 2013 ist dieses Ziel in die Satzung aufgenommen. Unterstützer brauchen wir immer. Unsere Mitglieder reichen an der Isar von Scharnitz bis Plattling und sind auch am Inn und in Regensburg an der Donau zu finden.

Das Bewerbungsverfahren war sehr umfangreich. Welche Kriterien waren für die Bewerbung zentral und wer war an dem Bewerbungsprozess beteiligt?

Das Bewerbungsverfahren ist streng reguliert, umfangreich und inhaltlich anspruchsvoll. Zwei Jahre hat es gedauert, bis alle Unterlagen beigebracht waren. Ein wichtiges Kriterium war für uns die Bewerbung im eigenen Bundesland Bayern.

Am Bewerbungsprozess waren die Floßmeister Michael Angermeier, Franz Seitner mit Tochter Monika Heidl-Seitner, und Josef Seitner beteiligt. Zum offiziellen Ansprechpartner für alle Fragen auf allen Ebenen hat man mich gewählt. Weitere Mitglieder des Flößer Kulturvereins München-Thalkirchen e.V. schlossen sich zum Arbeitskreis Immaterielles Kulturerbe zusammen: Barbara und Martin Fochler, Johann Baier, Studiendiektor a.D., Dr. Klaus Wagner, Rechtsanwalt, Michael Schönwälder, Inge Weber-Stumpf. Die Zusammenkünfte fanden in Wolfratshausen und in München statt.

Die im Bewerbungsantrag erforderlichen fachlichen Begleitschreiben „von Personen mit vertieftem Bezug zum Thema“ verfassten freundlicherweise Frau Dr. Monika Kania-Schütz, Leiterin des Freilichtmuseums Glentleiten und Herr Dr. Michael Stephan, Leiter des Münchner Stadtarchivs, wofür wir sehr dankbar sind.

Ein wichtiger Anteil an der erfolgreichen Bewerbung kommt Herrn Dr. Helmut Groschwitz zu, vom Institut für Volkskunde, Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Er war unser beratender Ansprechpartner bei der Textgestaltung und bei der Auswahl von Materialien. Von seiner kritischen Vorgehensweise konnten wir nur profitieren.

Welche Herausforderungen gab es während der Bewerbung?

Eine der größten Herausforderungen war die Bewerbung fristgemäß einzureichen. Denn viele Monate im Jahr sind die Floßmeister wegen der Passagierfloßfahrten im Sommer unabkömmlich. Zu schaffen machten uns auch die neu angelegten Formulare für die vierte Bewerbungsrunde. Sie stimmten mit den bisherigen nicht mehr überein. Auch eine Verlagerung des Schwerpunkts vom historischen Geschehen, mehr auf die heutige Zeit, brachte zusätzliche Arbeit.

Welche drei Dinge der Flößerei begeistern und faszinieren Sie persönlich?

Mein Leben lang begleitet mich die Isar. Es vergeht kaum ein Tag ohne sie. Dabei fasziniert mich immer wieder die Vorstellung, wie auf dem Fluss jahrhundertelang das Baumaterial und die Güter auf Flößen in die Städte gebracht wurden.

Faszinierend finde ich auch, wie es nur möglich sein kann, dass die über 18 Tonnen schweren Flöße, mit nur wenig Kielwasser unter sich, auf der Isar schwimmen und die Flößer es schaffen, auch bei niedrigem Wasser nicht auf Kiesbänken aufzufahren. Und begeistert bin ich stets von Neuem, auf welch festem Boden man auf einem Floß steht.

Es ist einfach perfekt, ja nahezu archaisch, damit das Isartal nach München hinunterzufahren bis zur Zentrallände in Thalkirchen. So entstand vor vielen Jahren auch meine Idee, Kulturfloßfahrten mit Vorträgen auszurichten, um das schöne Isartal in gepflegter Gesellschaft gemeinsam erleben zu können.

Danke, Frau Lauterbach, für das spannende und ausführliche Interview.

Ein wichtiger Hinweis noch…

Leider sind laut dem aktuellen Stand (18.05.2020) alle angebotenen Passagierfloßfahrten bis einschließlich 30.06.2020 abgesagt worden. Bei weiteren Informationen helfen euch die örtlichen Flößereibetriebe gerne weiter. Die Kontaktdaten findet ihr auf unserer Homepage.

 

2 Gedanken zu „Immatrielles Kulturerbe – Die Passagierfloßfahrten im Oberland

  1. Ich finde es super das die Passagierflossfahrten
    Immaterielles Kulturerbe anerkannt worden sind.
    Ich hoffe das es bald wieder möglich sein wird mit
    dem Floss nach München fahren zu können.

    • Lieber Herr Kästner,

      vielen lieben Dank für Ihre positive Rückmeldung.
      Wir freuen uns ebenfalls über die Wertschätzung und die Eintragung in das Bayerische Landesverzeichnis.

      Herzliche Grüße
      Ihr Team vom Stadtmarketing

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