Unser Förster im Interview: Robert Nörr über den Wald und die Menschen (3/3)

Im dritten und damit letzten Artikel unserer Blogreihe im Rahmen von #NaturschutzBeginntMitDir beantwortet unser Förster Robert Nörr einige persönliche Fragen zu seinen 16 Jahren als Förster, spricht darüber was ihn daran am meisten begeistert hat und wie wir uns von der Natur immer weiter entfremden. Solltet ihr die beiden vorhergehende Arikel noch nicht gelesen haben, findet ihr hier Teil 1 und Teil 2. Viel Spaß beim Lesen!

Sie sind jetzt 16 Jahre in Wolfratshausen und Umgebung tätig. Haben Sie in dieser Zeit etwas erlebt, was sie besonders schockiert hat? Gerade in Hinblick darauf, wie andere Menschen mit der Natur umgehen.

Robert Nörr: Ja, da fallen mir zwei sehr extreme Dinge ein. Zum einen, wenn jemand einen Wald kahlschlägt, wo das nicht hätte sein müssen. Es gibt mit Ausnahme der Borkenkäferbekämpfung und der Bewältigung anderer Schadensereignisse kaum Situationen, in denen das wirklich nötig gewesen wäre. Wenn ich das sehe, schockiert es mich. Zum Glück sind Kahlschläge aber die absolute Ausnahme.

Außerdem ist es die immer wieder anzutreffende Rücksichtslosigkeit von Leuten, die einfach meinen, ihnen gehört der Wald und sie müssen auf niemanden Rücksicht nehmen. Das hat meiner Meinung nach zugenommen.

Es gibt also doch noch genug Leute, die sich aufführen, wie die Axt im Walde?

Robert Nörr: Ja, leider schon. Teilweise kann ich es sogar im Ansatz verstehen. Gerade Leute, die in einem sehr naturfremden Umfeld leben und permanent durch Lärm, Abgase und Enge gestresst werden, suchen häufig den Wald als Kontrastprogramm und Inbegriff von Natur, Wildnis und Ruhe auf. Wenn dann aber jemand zum Beispiel seinen Wald bewirtschaftet und eine Säge läuft oder ein Weg gesperrt ist, dann reagieren manche von diesen Besuchern aggressiv, weil das mit ihrer Vorstellung nicht übereinstimmt. Hier muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden. Wir als Förster müssen uns die Zeit nehmen und den Leuten zuhören. Aber das ist für uns – auf 20.000 Einwohner kommt gerade mal ein Förster der Forstverwaltung -, für die Förster der Bayerischen Staatsforsten und für die Waldbesitzer, eine unglaublich fordernde Aufgabe.

Da wird einem klar, wie groß die Entfremdung von der Natur teilweise ist. Vielleicht ist auch deswegen der Drang so groß sich abseits von den Wegen querfeldein ein in den Wald zu bewegen und die Natur wirklich hautnah zu erleben. Ist es ein Problem, wenn sich Erholungssuchende von den Wegen entfernen?

Robert Nörr: Wenn man die Wege verlässt, ist es vor allem für das Wild und viele Tierarten ein Problem und weniger für den Wald selbst. Dann wird es problematisch, wenn Menschenmassen unterwegs sind. Aber auch für einzelne Personen gilt grundsätzlich, es ist besser auf den Wegen zu bleiben. Vor allem während sensibler Zeiten oder an sensiblen Orten, beispielsweise während der Dämmerung, wenn Rehe sehr empfindlich sind oder während Nistzeiten und im Bereich der Gelege von Vögeln. Genauso gilt das auch im ausgehenden Winter, wenn die Tiere bereits großen Hunger und Nahrungsstress haben. Dann verbrauchen die Tiere bei ihrer Flucht vor dem Menschen sehr viel Energie. Während diesen Zeiten sollte man es tunlichst vermeiden, querfeldein zu gehen. Andererseits ist dieses unmittelbare Naturerlebnis wertvoll und wichtig. Umso wichtiger ist es, dass wir den Menschen das Gespür für das richtige Verhalten vermitteln. Ich mache deswegen sehr viele Führungen mit Kindern und gehe an unkritischen Stellen manchmal bewusst querfeldein. Es gibt viele Kinder, die das noch nie gemacht haben. Das Erleben, im Wald zu stehen und ohne Handy nicht mehr herauszufinden, ist für viele eine heilsame Erfahrung (schmunzelt). Das Gefühl, dass Natur nicht immer nur romantisch und schön ist, muss man schon mal erleben, denn das schafft Respekt vor der Natur.

Robert Nörr vor ausgehöltem Baumstumpf: Der Baum hätte zur Gefahr werden können, wein sein inneres Absterben dem Förster nicht rechtzeitig aufgefallen wäre.

Wenn Sie auf die letzten Jahre, in denen Sie als Förster tätig waren zurückblicken, welche positiven Dinge fallen Ihnen da ein?

Robert Nörr: Da fallen mir einige Dinge ein! Beispielsweise, wenn Kinder den Wald entdecken und sich für ihn begeistern. Wenn man ihnen Raum lässt und sie plötzlich selbst merken, wie spannend der Wald ist, geht mir wirklich das Herz auf. Das passiert auch gelegentlich mit Erwachsenen, die plötzlich eine Faszination für den Wald entwickeln. Am Wald kann man unglaublich viele Zusammenhänge aufzeigen, die die Leute häufig überraschen. Insgesamt gibt es mir ein sehr gutes Gefühl, wenn ich bei Führungen die Neugier und Faszination für den Wald in anderen wecken kann.

Außerdem begeistert mich an der Arbeit im Wald, dass ich mit meinen Maßnahmen so viele positive Auswirkungen erzielen kann: Für den Natur- und Artenschutz, aber auch für den Schutz der Umwelt und durch das Produzieren des wertvollsten und natürlichsten Rohstoffs, dem Holz. Mit anderen Worten, wir können durch unsere Arbeit im Wald viele Probleme lösen oder mildern. Bei weitem nicht, alle, aber viele! Es begeistert mich einfach, wenn ich heute einen Wald pflege und einzelne Bäume entnehme und ich dann nach einiger Zeit wieder auf die Fläche komme und sehe, wie der Wald sich entwickelt hat. Wie er stabiler und vielfältiger geworden ist und wie wieder die gleiche Menge an Holz auf der Fläche steht! Gleichzeitig konnte mit dem geernteten Holz mindestens ein Holzhaus gebaut werden. Das ist doch die perfekte Nachhaltigkeit! Der Begriff der „Nachhaltigkeit“ kommt ja aus der Forstwirtschaft und war vor 300 Jahren der revolutionäre Ansatz „Nutze nicht mehr als das, was nachwächst“. Inzwischen ist der Begriff aber viel umfassender: „Bewirtschafte den Wald so, dass alle Ansprüche in Zukunft mindestens genauso befriedigt werden können, wie heute“. Das ist natürlich sehr komplex, weil wir sehr viele Ansprüche haben. Aber ich sage: wir bekommen das hin!

Zum weiterlesen

In einem früheren Artikel gab Robert Nörr bereits einen kleinen Einblick in seine Arbeit als Förster, dazu mehr hier.

Wenn ihr die Natur auch so gerne genießt, findet ihr hier die schönsten Radlwege entlang an Gewässern unserer Umgebung.

Wenn ihr lieber zu Fuß unterwegs seid, findet ihr hier die fünf schönsten Spaziergänge in und um Wolfratshausen.

Alle Hintergründe der Naturschutzkampagne vom Tölzer Land findet ihr hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*
Website