Förster Robert Nörr über die Rückkehr des Bibers nach Wolfratshausen

Beim Spazierengehen am Loisachufer sind aktuell vermehrt Biberspuren vorzufinden. Für viele Bürger war es eine neue Erkenntnis, dass wir überhaupt Biber in Wolfratshausen haben und dann auch noch so nah am Stadtzentrum? Beim Anblick der angenagten Bäume war unser erster Gedanke: Was sagt eigentlich ein Förster dazu, dessen Aufgabe es ist, den Baumbestand zu sichern. Deswegen, Herr Nörr, erstmal ganz allgemein die Frage, wie ist eigentlich das Verhältnis zwischen Forstwirtschaft und Biber? Ist der Biber für Sie ein gerngesehener Waldbewohner oder ein Störenfried?

Nörr: Der Biber ist ein sehr kontroverses Thema. Unbestritten bringt er eine naturnahe Gestaltung seiner Lebensräume mit sich. Durch das Aufstauen von Bächen vernässt er die Umgebung und schafft damit Lebensraum für viele spezialisierte und z.T. vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Für den Arten- und Naturschutz ist der Biber daher sehr „produktiv“. Gerade im Uferbereich von Loisach und Isar, wo vorwiegend Weichlabhölzer, wie die Weide zu finden sind, richtet er im Wald auch relativ wenig Schaden an, da die Weichlaubhölzer rasch wieder austreiben können.

Ein großes Problem ist aber die Verkehrssicherungspflicht. Wir hatten z.B. einen angenagten Baum, der relativ nah an der Marienbrücke stand. Gottseidank konnten wir bei der Prüfung feststellen, dass er keine Gefahr für den Straßenverkehr oder Passanten darstellt, denn in der folgenden Nacht hat ein Biber den Baum dann tatsächlich noch gefällt. Wenn dies an Orten passiert, wo Fußgänger oder Fahrradfahrer unterwegs sind, kann das natürlich sehr gefährlich werden. Selbst wenn sie beim Umstürzen niemanden gefährden, können die Bäume in Teile des Weges hineinragen, die nicht einsehbar sind und dadurch Unfälle verursachen. Der Eigentümer des Grundstückes hat in vielen Fällen die Verkehrssicherungspflicht und trägt damit ein großes Haftungsrisiko. Davon abgesehen war der Biber aber immer bei uns heimisch und ist in den Auwäldern eine Bereicherung.

Robert Nörr – Förster der Bayerischen Forstverwaltung in den Gebieten Wolfratshausen, Egling und Icking

Schwieriger wird es in Bereichen entlang von kleinen Gewässern, in denen wir vom Landwald sprechen. Der Biberbestand hat dort sehr stark zugekommen und das sieht man auch an den Bäumen. Dort werden nicht nur Weiden angefressen, sondern auch die Rinde unserer wichtigen Mischbaumarten wie Tanne, Buche und Ahorn rundherum abgenagt. Das Absterben dieser Bäume ist dann nur eine Frage der Zeit. Selbst 30 Meter vom Bach entfernt können so wirklich schwere Schäden für die betroffenen Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer entstehen.

Ein weiteres Problem entsteht, wenn der Biber ein Gewässer aufstaut, um sich seinen bevorzugten Lebensraum zu schaffen. Dabei kann er relativ große Areale unter Wasser setzen. Wenn das in einem Fichtenwald passiert, wie wir ihn beispielsweise in östlich von Deining haben, ist das fatal. Denn die Fichten sterben bei einer Überflutung ab und werden davor vom Borkenkäfer befallen, der ohnehin schon ein großes Problem für unsere Wälder darstellt. Entfernen kann man die befallenen Bäume wegen der vernässten Böden nur mit riesigem Aufwand, sodass sich der Borkenkäfer oft weiter ausbreiten kann.

Außerdem gibt es auch innerhalb des Artenschutzes sogenannte Zielkonflikte. Was mache ich zum Beispiel, wenn der Biber einen Bach aufstaut, wo die seltenen Bachmuschel vorkommt? Das ist beispielsweise Richtung Thanninger Weiher oder bei Moosham der Fall. Wenn der Biber dort ein Gewässer erfolgreich aufstaut, wäre das mittelfristig das Aus für die sehr seltene Weichtierart.

Sie sehen an meiner langen Antwort, dass man Ihre Frage nicht eindeutig beantworten kann. Der Biber ist weder der dringend zu entnehmende Schädling noch der überall schützenswerte „Naturraumgestalter“. Es kommt immer darauf an, wo der Biber sich ausbreitet und wie viele Biber es gibt. Lange Zeit war der Biber in vielen Regionen sehr selten bis ausgestorben. Mittlerweile hat er sich aber in unserer Region sehr stark vermehrt. Dadurch suchen sich junge Biber aus Platzmangel immer häufiger suboptimale Reviere, wo es zu Konflikten mit den Menschen kommt. Sollten Probleme auftreten, ist daher ein Termin mit den Biberberatern sehr zu empfehlen.

Also ein zwiegespaltenes Verhältnis zwischen Biber und Forstwirtschaft. Wie sieht es speziell in Wolfratshausen aus. Müssen wir uns Sorgen machen, dass wir irgendwann ein kahles Loisachufer haben?

Es kann tatsächlich passieren, dass am Loisachufer in Teilbereichen alle Bäume gefällt werden. Die Bäume, die der Biber hauptsächlich fällt wie die Weide oder die Erle, treiben allerdings relativ schnell wieder aus. Deswegen ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein Biber einen Uferstreifen über mehrere hundert Meter komplett kahl frisst. Es bleiben in der Regel immer Bäume stehen, die abgefressenen Stümpfe treiben z.T. neu aus und es wachsen auch immer wieder neue Bäume auf. Das viel größere Problem ist in diesem Bereich die bereits angesprochene Verkehrssicherheit. Entlang des Ufers verlaufen viele Rad- und Fußwege, wo Passanten potentiell gefährdet werden können.

Kann man die Bäume in irgendeiner Form vor dem Biber schützen?

Da gibt es verschiedenste Ansätze, bei denen sich Biberberater einsetzen, um Lösungen im Einzelfall zu finden. Ich persönlich kenne kein Mittel, dass immer und überall zuverlässig wirkt. Natürlich kann man Zäune aufstellen oder die Bäume mit Drahtmanschetten versehen, aber das ist auf großer Fläche kaum umsetzbar. Ein Zaun kann außerdem den Wasserabfluss beeinträchtigen, sodass man zunächst das Wasserwirtschaftsamt einbeziehen müsste.

Nagespuren eines Bibers, Höhe Weidachter Sportplatz

Bei zu vielen Bibern gibt es also kaum Möglichkeiten, Schäden an den Bäumen zu vermeiden? Was ist also die Lösung?

Es gibt aus meiner Sicht keine echte Lösung. Dort, wo es zu viele Biber gibt, die auch große Schäden hinterlassen, bleibt eigentlich nur die Entnahme des Bibers. Dafür gibt es aber zurecht ganz enge natur- und artenschutzrechtliche Vorgaben. Reine Schutzmaßnahmen sind wirklich schwierig umzusetzen und in einigen Fällen auch gar nicht notwendig. Natürlich werden sich Manche dadurch gestört fühlen, dass der geliebte Trampelpfad am Flussufer nicht mehr begehbar ist oder der Spaziergang nicht mehr durch den gewohnt dichten Wald, sondern teilweise an abgenagten Stümpfen vorbeiführt. In den ufernahen Auwäldern ist ein wirklich schwerwiegender Schaden aus forstwirtschaftlicher Sicht aber kaum vorhanden. Anders entlang von kleinen Gewässern. Hier müssen die Schäden minimiert werden.

Was würden Sie sich für den zukünftigen Umgang mit dem Biber wünschen?

Es gibt einen Fonds zur Entschädigung von Biberschäden, der leider finanziell unzureichend ausgestattet ist. In den meisten Fällen kann damit nur ein Bruchteil des tatsächlichen Schadens abgedeckt werden. Das führt leider nicht dazu, dass die Akzeptanz des Bibers bei Waldbesitzern steigt. Da geht es um Leute, die sich teilweise seit Jahrzehnten intensiv um ihren Wald gekümmert haben und plötzlich frisst der Biber diesen tollen Mischwald kaputt. Wenn dann keine angemessene Entschädigung gezahlt wird, fühlen sie sich natürlich sehr im Stich gelassen. Die meisten Waldbesitzer stehen dem Arten- und Naturschutz offen gegenüber. Aber wenn große Schäden entstehen, sollten sie nicht alleine darauf sitzen bleiben. Wir sehen hier einen klassischen Konflikt zwischen Eigentum und Naturschutz. Wenn der Gesellschaft, der Biber und die von ihm geschaffenen Strukturen wichtig sind, muss sie auch die notwendigen Entschädigungen leisten.

 

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