Wolfratshauser Delegationen beim 31. Deutschen Flößertag in Unterreichenbach

Im Schwarzwald, genau in Unterreichenbach an der Nagold nahe Pforzheim fand der diesjährige Deutsche Flößertag vom 6-9.09.2018 statt. Zwei Delegationen aus unserem Landkreis nahmen am traditionellen Treffen von deutschen Flößervereinen und -orten teil: die Stadt Wolfratshausen mit Bürgermeister Klaus Heilinglechner sowie Gisela Gleißl und Marion Klement – vom Kultur- und Tourismusamt der Stadt – und eine Delegation des Vereins Flößerstraße unter Leitung von Vorsitzender Gabriele Rüth.

Wolfratshausens Erster Bürgermeister sprach seine große Begeisterung über die tolle Organisation des 31. Deutschen Flößertages bei der Geschenkübergabe am Festabend aus

„Es ist beeindruckend, wie perfekt die Versammlung organisiert ist und mit welchem Einsatz die vielen ehrenamtlichen Helfer von Jung bis Alt dabei sind“

31. Deutschen Flößertag in Unterreichenbach

Die Delegation der Stadt Wolfratshausen (v.l.): Marion Klement, Gisela Gleißl (Kultur- und Tourismusamt), Bürgermeister Klaus Heilinglechner. Im Hintergrund bauen die Talhubenflößer gerade ein Floß zusammen.

Ein Jahr nach dem 30. Deutschen Flößertag in Wolfratshausen erlebten sie nun ein etwas anderes, aber dem Wolfratshauser durchaus ebenbürtiges, auch bestens organisiertes Programm der Talhubenflößer mit ihrem Vorsitzenden Martin Burkhard und der Gemeinde. Übrigens: Der Name der Talhubenflößer kommt von den „Huben“, den im Tal liegenden Gehöften, wie Martin Spreng, Vorsitzender der Deutschen Flößereivereinigung und Vorsitzender der Flößerzunft Oberes Nagoldtal, in seinem Artikel im aktuellen Jahrbuch der Vereinigung schreibt.

Höhepunkt des Programms war eine spannende Schaufloßfahrt von der Nonnenwag-Wasserstube (künstlich angelegter Floßteich/ Wassersammelbecken zur Speisung eines Floßgrabens, die Redaktion) in Monbach nach Unterreichenbach. Wegen der Gefährlichkeit durften allerdings nur einige wenige Gäste auf den gesamt 120 Meter langen Gestören (aneinander gebundene je 17 Meter Einzelflöße, die Redaktion) mitfahren. Doch nur zuzusehen, wie die Flößer die zusammengebundenen Flöße mit dem Schwall (aufgestautes Flusswasser der Wasserstube nach deren Öffnung) entlang des Flusslaufs war aufregend genug.

Die Flöße haben die Unterreichenbacher Floßgasse beim Wehr erreicht.

Start der Schaufloßfahrt war an der Nonnenwag-Wasserstube.

Weitere Programmpunkte waren: Mitgliederversammlung der Deutschen Flößereivereinigung, Besuch des Baumwipfelpfads in Bad Wildbach, Besichtigung des Unterreichenbacher Flößermuseums mit persönlicher Führung durch Bürgermeister Carsten Lachenauer, wobei besonders die riesige Figur des sagenumwobenen „Holländer Michels“ beeindruckte, des neuen Kraftwerks mit Wehr, neuer Floßgasse und Fischtreppe durch Martin Burkhard, des Flößerdenkmals, des Sägewerks Burkhard, Grillabend mit Schwedenfeuer und Vorführung Wiedendrehen mit mobilem Wiedofen durch die Flößergilde Calmbach, Festabend und zum Abschluss am Sonntag traditioneller Gottesdienst. Das Alternativprogramm mit Besichtigung war ebenfalls spektakulär, es bestand aus dem Besuch des weltgrößten 360-Grad-Panoramas „ROM 312″, das die prächtigste Kapitale der Antike im Jahr 312 n.Chr. in der Gasometer-Ausstellunghalle in Pforzheim zeigt.

Tamina, Sabrina (Schriftführerin) und Marisa Schwenger und Vorsitzende Gabriele Rüth vom Verein Flößerstraße (v.li.) besuchten das Museum in Unterreichenbach; hier bei der Besichtigung eines Nagold-Floßes.

Wissenswertes aus der Mitgliederversammlung

Die Mitgliederversammlung leitete erstmals der seit 2017 neue Vorsitzende Martin Spreng. In seinem Rückblick erinnerte Spreng an die schönen Tage des 30. Flößertags im Mai 2017 in Wolfratshausen. Aktuell hat Schriftführerin Dr. Nicola Keweloh eine Karte erstellen lassen, in der alle deutschen Flößervereine aufgelistet sind. Ferner ist geplant, ein Archiv aufzubauen mit Filmen, in denen die Flößerei Hauptthema ist. Es gibt bereits die DVD „Flößerei in Mitteldeutschland und anderswo“ des Fördervereins Elsterfloßgraben mit zwölf Filmausschnitten, darunter auch einer aus Wolfratshausen. Kontakt über Verein Flößerstraße, E-Mail info@floesserstrasse.eu. Ferner stellte der ehemalige Vorsitzende Hans-Walter Keweloh sein Wörterbuch mit flößerischen Fachwörtern vor, das er um 200 Eintragungen ergänzt hatte.

Wie Spreng noch berichtete, möchte die Deutsche Flößereivereinigung erreichen, dass die Flößerei – nach dem Titel „deutsches immaterielles Kulturerbe“ – entsprechend nun auch den internationalen Titel erhält. Dazu sind aus zwei weiteren Ländern Anträge notwendig. Die Österreicher wären dazu bereit wie auch die Tschechen, die seit 2018 mit Jaroslav Camplik aus Prag sogar den Präsidenten der Internationalen Flößereivereinigung stellen, was von großem Vorteil wäre.

Ferner wurde bekanntgegeben, dass der Flößertag 2019 am 1. September in Finowfurt in Brandenburg stattfindet.

Im zweiten Teil der Versammlung gab es einen Fachvortrag, Thema „Erfassung von Spuren eines untergegangenen Waldgewerbes“ von und mit Tilmann Marstaller. Der Archäologe und Bauforscher stellte sein Forschungsprojekt des Schwäbischen Heimatbundes mit Unterstützung des Landesamts für Denkmalpflege vor. Hervorzuheben dabei ist, dass er Laien schulte, die dann mit Erfolg als „Holzdedektive“ in Häusern nach Spuren der Flößerei suchten. Ältester Fund und damit als Beleg für ganz Deutschland war in der Maulbronner Bartholomäuskirche des Klosters, der aus dem Jahr 1169 stammt.

Flößerei in Unterreichenbach

Unterreichenbach liegt in einer der bedeutendsten Floßholz-Handelsregionen in Deutschland. Für den Ort war die Flößerei deshalb einst von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Denn der reiche Holzbestand des Nordschwarzwalds wurde über Nagold, Enz, Neckar und Rhein bis in die Niederlande geflößt. Die Hochzeit der Holland-Flöße ging bis weit in das 18. Jahrhundert hinein – bis das Verlangen der Niederlande nach Holz aus dem Schwarzwald allmählich nachließ. 1911startete das letzte Nagoldfloß mit 41 Tannen in Unterreichenbach auf der Nagold.

Auf der Gemarkung der Gemeinde Unterreichenbach gab es drei Einbindestellen: Dort wurden die Stämme grob nach Länge und Durchmesser sortiert. Danach wurden Löcher für die Wieden gebohrt, mit denen die Hölzer zu sogenannten Gestören verbunden wurden. Ein Floß bestand damals aus mehreren Gestören, das längste und schwerste am Ende. Auf der Nagold durfte das fertige Schiff nicht länger als 285 Meter und nicht breiter als vier Meter sein.

Für die Unterreichenbacher Flößer ging die Reise in der Regel bis Enzweihingen, höchstens bis Heilbronn. Auf dem ersten Gestör hatte der Steuermann seinen Platz, der das Floß durch den reißenden Fluss lenkte. Gebremst wurde ganz hinten mit dem Zuruf „Jockele sperr“: Mithilfe eines Balkens, den man auf den Grund drückte.

Auf den schwimmenden Hölzern konnten die Männer ihre Habseligkeiten mitnehmen. Selbst eine Vorrichtung zum Trocknen der Wäsche gab es. Zudem wurde zusätzliches Bauholz und Kohle für die Pforzheimer Eisenhüttenwerke transportiert. Geflößt wurde nicht früher als eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang und nicht länger als eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang. So wollte es das Gesetz. Mit dabei war auch der Floßherr, der am Ende der Reise das Geld für das Holz in Empfang nahm. Zurück ging es dann zu Fuß. Doch während sich diese auf den Heimweg machten, war die Reise ihrer Ware noch lange nicht zu Ende. Und die Enz, den Neckar und Rhein hinunter wuchsen die Flöße zu immer größeren schwimmenden Inseln heran. Die mächtigsten unter ihnen trieben den längsten Strom Deutschlands mit einer Länge von mehr als 300 Metern und einer Breite von bis zu 60 Metern hinab, es waren richtige Dörfer. Auf den sogenannten Knieflößen fanden teils 500 Menschen Platz, es gab Hütten, um sie unterzubringen, Küchen, um sie zu versorgen.

In Unterreichenbach wurde 1999 in der Tannbergschule ein kleines, feines Flößermuseum eingerichtet, mit Handwerkszeug von Flößern und Holzfällern und der Sagenfigur des „Holländer Michel“. Auch gibt es anschauliche Modelle z.B. eines Kapitalfloßes wie es auf dem Rhein unterwegs war. 1978 fand das erste Talhubenfest in Unterreichenbach statt. Es wurde von Gemeinde und Vereinen gemeinsam gestaltet. Höhepunkt des alle drei Jahre stattfindenden Festes ist das Schaufahren der Talhubenflößer mit „Oberflößer“ Ernst Burkhard, dessen Familie jetzt schon in der 15. Generation den Holzhandel, die Flößerei sowie Mahl- & Sägemühlen betreibt.

Wohl einmalig in Süddeutschland ist die Nonnenwag-Wasserstube in ihrer heutigen Form, denn ihre Stellfallen öffnen sich bei Hochwasser automatisch. Und mit dem neuen Kraftwerk in Unterreichenbach wurden 2017 die Leitwände der Floßgasse durch die Unterreichenbacher Flößer unter ihrem Vorsitzenden Martin Burkhard, Sohn von Ernst Burkhard, ersetzt.

So wie die Figur im Flößermuseum könnte der Holländer Michel ausgesehen haben.

Sagengestalt „Holländer Michel

Die Menschen halten den Holländer-Michel für einen Waldgeist. Viele fürchten seine riesenhafte Erscheinung. Seine Stiefel seien, so wird erzählt, so groß, dass ein Mensch bis zum Hals in ihnen Platz fände. Dabei kann er sich größer oder kleiner machen – ganz nach Belieben.

Seinen Beinamen erhielt er, als er vor vielen, vielen Jahren bei einem reichen Holzherrn als Flößer anheuerte. Er leistete die doppelte Arbeit eines gewöhnlichen Menschen: Beim Flößen der Stämme war er schneller und erfolgreicher als alle anderen. Deshalb konnte er nicht verstehen, dass die Reise bereits an der Mündung des Neckar in den Rhein zu Ende sein sollte. Warum sollten denn die Zwischenhändler, die die Stämme weiter den Rhein hinab transportierten, die großen Gewinne einstreichen? Seine Gefährten überzeugte er davon, mit ihm weiter nach Holland zu fahren. Gelohnt hat sich der Trip: Für ihre Fracht erhielten sie gutes Geld. Als ihr Treiben ans Licht kam, musste der Holländer Michel schleunigst das Weite suchen. Aber er war nie ganz weg, er wurde der Herr des Waldes. Und wenn Sturm ist, dann treibt er sein Unwesen, sodass die Menschen furchtsam ihre Köpfe zusammenstecken und raunen, der Holländer-Michel sei im Tannenbühl unterwegs und schlage Holz für eine neue Flößerfahrt.

Einige Menschen suchen ihn auf, wenn sie zu Reichtum kommen möchten. Sie geben ihm ihr Herz im Tausch gegen Wohlstand und gesellschaftliche Anerkennung. Eine ganze Sammlung menschlicher Herzen hat er schon. Stattdessen klopft nun ein Herz aus Stein in ihrer Brust, das er ihnen einpflanzt. Wer ein Herz aus Stein hat, der kennt keine Gefühle mehr. Nur einen Konkurrent hat der Michel: das Glasmännlein. Es verteilt den Reichtum ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen. So glauben wenigstens die Menschen.

Die Sagengestalt soll einst im Fleckenwald gehaust haben. Im Alten Dorfbuch vom Jahr 1774 ist der genaue Ort von seinem „Häuslein“ beschrieben. Es stand an der Stelle, wo noch heute die Grenzen von Unterreichenbach, Grunbach und Weißenstein zusammenstoßen. Man sieht dort noch „Riesen“ (Holz-Rutschbahnen, auf denen Holz vom Einschlagsort zum Floßbach transportiert wurde), wo einst auch die „Holländer“-Tannen zur Einbindestelle an der Nagold befördert wurden.

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