Unser Förster im Interview: Robert Nörr über den Wald und die Menschen (1/3)

Im Zuge der Naturschutzkampagne vom Tölzer Land #NaturschutzBeginntMitDir haben wir uns mit Herrn Robert Nörr unterhalten. Dabei ist ein äußerst interessantes Gespräch zustande gekommen, das wir in Form einer dreiteiligen Blogreihe für euch aufbereitet haben. Viel Spaß!

Herr Nörr, erzählen Sie doch gerne mal von sich! Wer sind Sie und was ist Ihre Tätigkeit im Naturschutz?

Robert Nörr: Mein Name ist Robert Nörr. Ich bin Förster der Bayerischen Forstverwaltung in den Gebieten Wolfratshausen, Egling und Icking. Ich bin v.a. für die Beratung der Waldbesitzer, Öffentlichkeitsarbeit und auch Führungen durch den Wald zuständig. Für mich ist der Wald eine Herzensangelegenheit. Dabei geht es mir darum, Schützen und Nutzen unter einen Hut zu bekommen, darum den vielfältigen Lebensraum für verschiedenste Tiere und Pflanzen, den Wald als Erholungsort für uns alle, um frische Luft und sauberes Trinkwasser, wie auch um den tollen Rohstoff Holz zu schützen. Es gibt ganz viele Dinge, die der Wald für uns bereithält und dementsprechend auch viele verschiedene Interessen an diesem Wald. Dabei ist es meine Aufgabe als Förster dafür zu sorgen, dass nicht einzelne Interessen maximiert, sondern die gesamte Vielfalt an Interessen durch unseren Wald befriedigt werden kann. Das ist gar nicht leicht, denn es gibt immer mehr Nutzergruppen, die ihre Interessen – sagen wir mal – immer intensiver versuchen durchzusetzen. Gleichzeitig stellen sich immer mehr Herausforderungen durch Klimawandel, Witterungsextreme und ähnliche Faktoren, sodass Wahrheiten, die vor 20-30 Jahren gegolten haben, heute nicht mehr gelten.

Interessant, man hört ja oft, dass der Klimawandel in unseren Breitengraden eher später ankommt als anderswo. Man kann aber heute schon Entwicklungen feststellen, die durchaus auf den Klimawandel zurückzuführen sind?

Robert Nörr: Der Klimawandel ist bei uns im Oberland voll angekommen. Wir haben bereits jetzt Temperaturerhöhungen von 1,2 bis 1,6 °C im Vergleich zu 1950 und die Prognosen sind ganz klar: Die Temperaturerhöhung wird im Voralpenland viel stärkem ausfallen als im weltweiten Durchschnitt. Wir merken heute bereits massive Auswirkungen des Klimawandels. Es kommt zu immer mehr Extremereignissen wie Stürmen, Trockenzeiten oder immer stärkerer Befall durch Borkenkäfer. Darunter leidet besonders die Fichte, aber auch andere Baumarten sind massiv betroffen. Selbst die Buche, die eigentlich von Natur aus die vorherrschende Baumart wäre, hat in den Trockensommern 2015-2018 massiv gelitten. Hier sterben viele Exemplare, die 100- 150 Jahre munter gewachsen sind einfach ab.

Ausgelichteter Bereich mit jungem Nachwuchs im Bergwald

Also keine allzu schönen Aussichten?

Robert Nörr: Aktuell nicht, aber wir können natürlich sehr viel tun, damit das nicht so bleibt. Wald ist vom Klimawandel betroffen, aber auch Teil der Lösung! Wir Förster aber auch Waldbesitzer bemühen uns, die Wälder zu stabilisieren. Das klingt jetzt vielleicht etwas paradox. Aber damit Wälder ihre vielfältigen Leistungen für uns erfüllen können, müssen Bäume gefällt werden. Wenn ein Wald zu dicht aufwächst und die Konkurrenz zwischen den Bäumen zu groß ist, versuchen sie möglichst schnell in die Höhe zu wachsen und können dabei keine Energie in ein robustes Wurzelwerk investieren. Solche Bäume werden instabil und haben daher eine geringere Lebenserwartung.

Deswegen wird der Wald regelmäßig ausgelichtet, was mich zu einer ganz großen Bitte bringt: Wenn wir Bäume fällen, wird die Gefahrenzone sehr deutlich abgesperrt und wir bitten ganz dringend darum, dass diese Sperrungen auch beachtet werden. In diesen Situationen besteht akute Lebensgefahr, die bei Missachtung bereits zu schlimmen Unfällen geführt hat.

Also Vorsicht beim Waldspaziergang! Wenn man etwas von einer Baumfällung im Wald mitbekommt, muss man sich also nicht zwangsläufig Sorgen darum machen, dass unser Wald zerstört wird?

Robert Nörr: Nein, gezielte Baumfällungen sind sehr wichtig für den Wald. Neben Stabilität fördern Sie auch die Vielfalt des Waldes. Wenn in einem großen Fichtenwald einzelne Ahorn, Tannen oder Kirschen wachsen, wird gezielt diesen Bäumen geholfen, indem man ein, zwei oder drei Fichten nebendran abschneidet. Dabei fördern wir nicht nur die Vielfalt der Baumarten selbst, sondern auch die der Insekten, Schnecken, Pilze oder anderer Bodenlebewesen, die auf diese Bäume angewiesen sind.

Ein ebenfalls wichtiger Grund für die Fällung von Bäumen ist, einen gesunden Wald-Nachwuchs zu garantieren. In dichten, dunklen Wäldern tun sich kleine Bäumchen schwer. Für sie braucht es Licht, in dem ich ältere, größere Bäume entnehme. Ein besonders wichtiger Partner für den Nachwuchs im Wald sind die Jäger! Die Zahl der Rehe muss in einer Höhe reguliert werden, in dem der Wald in seiner ganzen Bandbreite an Baumarten aufwachsen kann und nicht nur mit einer Baumart, wie die für Verbiss unempfindlichen Fichte. Von der Buche über den Ahorn, die Tanne, die Kirsche hin zur Eiche: wir brauchen diese Baumarten für einen vielfältigen Wald der Zukunft, der auch gegenüber dem Klimawandel stabil ist.

Fortsetzung folgt…

Zum weiterlesen

Wenn ihr die Natur auch so gerne genießt, findet ihr hier die schönsten Radlwege entlang an Gewässern unserer Umgebung.

Wenn ihr lieber zu Fuß unterwegs seid, findet ihr hier die fünf schönsten Spaziergänge in und um Wolfratshausen.

Alle Hintergründe der Naturschutzkampagne vom Tölzer Land findet ihr hier.

Unsere Videointerviews mit unserem Förster Robert Nörr zu Biodiversität findet Ihr hier. 

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